Montag, 13. August 2012

Schublade.


Wie funktioniert das eigentlich mit der Liebe? Stehen wir irgendwann morgens auf und stellen fest: so geht das? Gibt es irgendeine Betriebsanleitung, die wir schon als Mädchen mit unserer ersten Barbie mitgeliefert bekommen? Oder ist alles, alles, was wir an Gefühlen erleben immer nur eine Aneinanderreihung von Zufälligkeiten, sponaten Zufälligkeiten, die wir in sogfältig beschriftete Schubladen packen und manchmal machen wir eben eine Lade auf, in der steht Liebe. Und irgenwann öffnen wir die Schublade, nehmen die Liebe wieder heraus und packen sie in die Schublade "Aautsch" oder in die Schublade "Puuuh" und dann irgendwann in "Es war einmal?".

Ich habe vor etwa zwei Jahren einen Mann kennengelernt. Den ich mochte. Auf Anhieb. Weil er ruhig und sanft und freundlich war. Ein Mensch eben. Letzten Herbst begannen wir auszugehen. Konzerte, Oper, Fussball. Wir haben uns die Nächte um die Ohren geredet und um die Herzen gelacht. Wir haben geschwiegen. Wir haben genossen. An meinem Geburtstag hat er mich zum ersten Mal geküsst. Einen Monat später die erste Nacht. Kaffee ans Bett und Lächeln für den Tag. Filme. Immer wieder Filme. Jarmusch. Allen. Alte Western. Punkkonzerte, die wir beide so sehr lieben. Es war perfekt. Wir lernten uns kennen. Und kennen. Und kennen. Und kennen. Und kamen keinen Schritt weiter. "Ich möchte immer neben Dir aufwachen" sagte er einmal "ich habe mich so daran gewöhnt". Wie machten Pläne. Nein, nicht wir, letzten Endes machte ich sie. Und er sagte "O.k., können wir machen". Und plötzlich war er weg. Nicht räumlich. Einfach so. Erstes ignorieren, Trunkenheit mit Freunden. Nein, mit Kumpels. All das Feine an ihm war von einen Tag auf den anderen weg. Und ich habe gekämpft. Innerlich natürlich. Wir Frauen kämpfen ja immer innerlich. Sind wir mit 16 in unserem traurigen, weinenden Kummer noch süß, kommen wir ja irgenwann in die Schublade "peinlich". Wann passiert das eigentlich? Wann kommt die gute Fee und sagt: Hey, jetzt reiß Dich mal zusammen, Du bist zu alt für so etwas?

Vor ein paar Wochen bat ich ihn um ein Gespräch und fragte ihn, was mit uns passiert sei. Wo die Unbeschwertheit hin sei? Die Nähe? Er sagte, er sei nicht für dieses Beziehungsding geschaffen. Und er vermisse das Schöne, dass wir hatten. Und bat um einen Neuanfang. Seitdem? Ein Kinobesuch, unzählige nicht beantwortete Nachrichten. Tränen. Alkohol, noch mehr Tränen, Freundinnen, die zwischen Trost und Sarkasmus schwanken, weil sie mich in meinem Kummer nicht mehr ertragen haben. Unzählige Flirtversuche. Gescheiterte Flirtversuche. Noch mehr Tränen, noch mehr Alkohol. Geflucht. Geschimpft. Geweint.

Am Samstag: eine Party bei einem gemeinsamen Bekannten. Mit vielen gemeinsamen Bekannten. Und Freunden. Ich hatte einen wunderschönen Abend. Mit meinen Freunden. Zum ersten Mal seit langem ist mir aufgefallen, wie viel ich in den letzten Monaten verlebt habe, weil ich diese verdammte Schublade nicht aufbekommen habe. Weil sie geklemmt hat. Oder ich kraftlos war. Oder weil wir uns vielleicht alle davor fürchten, diese Schublade namens Liebe zu öffnen und etwas heraus zu holen und woanders hinein zu tun. Aber eben nicht mehr in die Liebe-Schublade.

Meine wunderbare Freundin S. ist frisch verliebt. Ich kann mich nicht sattsehen an diesem Anblick. An ihrem Lächeln. An ihrem Strahlen. An diesem "so muss es sein". Und habe gemerkt, meine Schublade klemmt gar nicht. Meine Hand hat nur diesen endlos langen Umweg über mein Herz gemacht.

Ich habe ihn vor drei Stunden zufällig getroffen. Er hat mich angelächelt. Mit seinem Große-Jungen-Lächeln. Er war für mich wieder der Mann, den ich vor zwei Jahren getroffen habe. Ich habe zurück gelächelt.

Die neue Schublade? Sie heißt: "Schön war's. Danke ..."

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