Dienstag, 2. Oktober 2012

Der Tod und der Humor.

Dirk Bach ist tot. Kurt Felix auch. Neil Armstrong. Antonio Tabucchi übrigens auch. Aber den kannten wenige. Deshalb hat auch niemand über ihn Witze gemacht. Also in der Öffentlichkeit. Da macht man das für gewöhnlich ja. Denn was wäre Humor, auch ein humoristischer oder ein grenzwertiger, ohne Publikum, das applaudierend bejaht oder kopfschüttelnd schaudert.
Und es stellt sich die entscheidende Frage – die gestern bereits Sekunden nach der Nachricht von Herrn Bachs Tod durch meine Timeline lief – darf man über einen Verstorbenen Witze machen und wenn ja, wann sind sie geschmacklos. Oder warum eigentlich nicht. In einem Spiegelnachruf las ich heute von einem Interview Bachs mit dem Blatt, dessen Namen ich nicht nennen darf (sicherlich übergibt sich sonst irgendwo ein kleines Essay). Er wurde dort gefragt, wann er denn platze. Und das wurde abgedruckt. So so. Geschmacklos? Ich weiß es nicht. Es ist nicht mein Humor. Ich weiß auch nicht, wie er es fand, werde mir heute nicht anmaßen zu sagen, er hätte gewollt, dass alle lachen. Oder er habe sich ja selbst nie ernst genommen. Was weiß denn ich? Ich kannte ihn nicht. Deshalb habe ich gestern Abend auch nicht nur auf ihn getrunken, sondern auf alle, die – ich zitiere mich selbst, Sie verzeihen diesen Ego-pas? – „Menschen, die uns zum Lachen und Nachdenken brachten & bringen.

So. Da wären wir also beim Lachen. Ist ja erst mal nichts Schlimmes. (Ein Fall für die Gelotologen?) Aber darf man denn über einen Toten geschmacklose Witze machen? Die Antwort liegt kurz und knapp hinter der Gedankengrenze: Ich glaube, ja. Aber nicht in der Öffentlichkeit. Denn was geschmacklos ist und was nicht, entscheidet nicht der Sagende, es entscheidet der Hörende oder Lesende. Da halten wir es ja alle mit Kant, nicht wahr? Ich erzähle Ihnen dazu etwas ganz Privates. Letztes Jahr verstarb mein leiblicher Vater. Ich war sehr, sehr, sehr traurig. Und nie ging es mir in all meiner Trauer besser, als ich mit meinen Geschwistern zum ersten Mal über ihn Witze gemacht und gelacht habe. Und wir haben viel gelacht. Alle. Unter Tränen. Mit Tränen. Und waren dankbar, dass wir lachen konnten. Und da unsere – für Außenstehende in diesem Moment sicherlich augenscheinliche - Geschmacklosigkeit unverstanden geblieben wäre, haben wir dies nur unter uns getan. Und uns so verbunden gefühlt. In der Vergangenheit, im Moment, in der Zukunft. Auch das ist eine Form des Miteinanders und Zugehörigkeitsgefühls. Wo man lacht, da lass Dich nieder, weiß ja schon der kluge Volksmund.  Aber nur, wenn Du den gleichen Humor teilst. Und niemanden verletzt. Und deshalb mein Danke an alle Menschen, die mich – ein jeder zu seiner Zeit und ein jeder mit seinem eigenen Humor und manchmal auch, wenn es über einen Verstorbenen geht – mich zum Lachen bringen.

Herzlichst.

Eure Elly

P.S. Antonio Tabucchi war übrigens ein italienischer Schriftsteller, der im Sommer verstarb. Ein Grenzgänger zwischen Italien und Portugal, wurde er genannt. Ich erspare uns den Wortwitz zu seinem Tod. Aber lesen Sie ruhig mal eines seiner Bücher. Schön, dass man auch so weiterleben kann … http://www.spiegel.de/kultur/literatur/erklaert-pereira-schriftsteller-antonio-tabucchi-ist-tot-a-823618.html